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Build-On: Converted Architecture and Transformed Buildings von R. Klanten, L. Feireiss (Hrsg.), 2009, 240 Seiten, 1050 Abbildungen, 30,6 x 24,4 cm, Euro 49,90

Gleich in der Einleitung wird kein geringerer als Marcel Duchamp – der Erfinder des Readymades – zitiert. Gefundenes in einen neuen Kontext zu setzen, es neu zu bewerten, umzuwidmen und den Blick auf Alltägliches überraschend zu verändern, ist eine Strategie, die auch in der Architektur spätestens seit Alison und Peter Smithson in den 1950er Jahren mit ihrer „as found“ Methode Raum gewonnen hat. Ihr neuer Zugang zu Stadt und Raum stand ganz im Gegensatz zum rationalen Funktionalismus der Moderne. Sie gingen von der bestehenden Substanz aus, proklamierten eine Planungsphilosphie der Beteiligung statt des Diktats und legten damit den Grundstein für eine Gestaltungshaltung, die auch heute noch gilt. Heute finden Architekten immer mehr Gebautes und Bestehendes vor. Nicht nur die Reaktion darauf, sondern auch das Recycling vorhandener Materialien ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.
Das Kapitel „Build on“ widmet sich der Ergänzung oder Erweiterung bestehender Bauten. Aufgelassene Industriehallen, Bunker, Werkstätten, Kirchen oder Bahnhöfe werden neuen Nutzungen gewidmet. Die gestalterische Sprache inszeniert diese Zu- Auf- und Umbauten, macht den Kontrast zum Stilmittel und lädt das Alte, Abgewohnte und Verbrauchte mit neuer Spannung auf, wie es kaum ein Neubau erreichen kann.
Im Kapitel „Add on“ wird „Draufgesetzt“, in „Inside Out“ kehrt sich das Innere nach außen, die Hülle wird kaum berührt. „Change Clothes“ ist der Sammelbegriffe für Gebäude, die nach dem Redesign nicht mehr wiederzuerkennen sind. Ihre neue Nutzungsbestimmung drückt sich selbstbewusst im neuen Kleidungsstil aus.

Dieses Buch ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Grenzen zwischen den gestalterischen Disziplinen, zwischen Fläche und Raum immer mehr verschwinden. Vielmehr sind sie fließend, Grafiker denken im Raum, Architekten gehen in die Fläche oder arbeiten in digitalen Medien. Kurz und knapp werden die vielfältigen Projekte auf 1 - 4 Seiten mit großen aussagekräftigen Fotos dargestellt. Hier geht es nicht um optimierte Grundrisse, um Detaillösungen oder um ökologische oder bautechnische Fakten. Vielmehr steht das Zeichenhafte der Architektur, das Ikonische im Vordergrund. Nicht zufällig finden sich unter den Projekten auch einige, die die archetypische Form des Hauses zitieren, neu interpretieren und über Form oder Farbe total verfremden. Diese Spiel der Formen, die produktive Störung ist kein Phänomen, das nur in der Architektur eingesetzt wird, es ist vielmehr disziplin-übergreifend als gestalterisches Grundprinzip zu sehen. Von der Provokation bis zum humorvollen Zitat wird vorgeführt, wie der Betrachter oder Benutzer vom sympathischen Gebäude verführt werden kann. In diesem Buch wird man von der Ideenvielfalt überwältigt.
In diesem Sinne könnte der nächste Band einer über visuelle Gestaltung sein - denn auch im Feld des Kommunikationsdesign steht Redesign immer häufiger auf der Auftragsliste. Alles neu zu machen, hat weder eine große Zukunft noch Gegenwart vor sich.


Erwin K. Bauer

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