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Victor Papanek: Design für die reale Welt: Anleitungen für eine humane Ökologie und sozialen Wandel, Hg. Martina Fineder, Thomas Geisler, Florian Pumhösl, Gerald Bast, Euro 39,95

Viktor Papaneks durchwegs polemische Schrift „Design for the real world“ von 1971 scheint gerade heute wieder besonders aktuell. Zu ihrem Erscheinungsdatum wurde sie von vielen Kollegen heftig angefeindet. Obwohl in den frühen 1970er Jahren ein Bruch der linearen Nachkriegsentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft deutlich spürbar wurde, schien Papanek mit seinen Ideen noch ein Außenseiter zu sein. Aus heutiger Sicht sprach er damals schon explizit an, was heute immer noch als ungelöstes Problem existiert. Doch hat sich unsere Welt nicht nur wirtschaftlich im Turbotempo weiterentwickelt, soziale Unterschiede in jeder Hinsicht sind gewachsen und ökologische Probleme scheinen immer schwerer in den Griff zu bekommen. Spätestens seit der aktuellen Finanzkrise begreifen wir, wie global vernetzt alle unsere Handlungen zum Tragen kommen. Isoliertes Handeln jedes Einzelnen ohne Folgen ist reine Utopie. In diesem Zusammenhang erscheint Papanek wie ein mahnender Prophet. Im ersten Teil des Buches: „Wie es ist“ führt er in seinen Designbegriff ein, der mit dem Funktionskomplex um Methode, Beziehung, Ästhetik, Bedürfnisse, Telesis und Gebrauch viel umfassender ausfällt als die damals noch gängige Funktions- und Form-Idee, wo Funktionalität mit Ästhetik polarisierend ausgespielt wurden. Papanek geht es vielmehr um soziale Bedürfnisse, kulturelle Eigenheiten, intelligente Lösungen für eine bessere und humanere Umwelt für alle – kurz „Social Design“. Nachdem er im ersten Kapitel kuriose (Design)Entgleisungen plakativ zu Sprache bringt, zeigt er in Kapitel zwei „Wie es sein könnte“ konkrete Wege aus der Krise auf. Er stellt vielfältige Projekte vor: für die dritte Welt, Möbel im Selbstbausatz oder Studien zu einer neuen Moblilität jenseits des Autos. Diesen Ideenspeicher füllte er vor allem mit seinen StudentInnen. Papanek war sich bewusst, dass gerade die kritische Designausbildung eine Basis für Veränderung sein könnte, das abschließende Kapitel widmet sich diesem Aspekt ausführlich.

Die Veröffentlichung hier vorliegenden deutschen Erstausgabe ist dem Künstler Florian Pumhösl und den beiden DesigntheoretikerInnen Martina Fineder und Thomas Geisler zu verdanken. Pumhösl hatte schon in den 1990er Jahren die Idee einer Neuauflage des Manifests, jetzt haben die drei Initiatoren mit der Universität für Angewandte Kunst in Wien und Rektor Gerald Bast einen idealen Partner gefunden. Bast will das Themenfeld „Social Design“ stärken und gemeinsam mit den drei HerausgeberInnen den Nachlass Viktor Papaneks an die Universität holen. Für die Studierenden liegt jetzt ein Klassiker mit ursüprünglichen Lösungsansätzen vor. Es würde sich lohnen, mit den heutigen erweiterten Möglichkeiten erneut anzusetzen, um den Geist Papaneks in reale alltägliche Dinge umzusetzen - denn genau das hätte der Idealist und Pragmatiker sich gewünscht.


Erwin K. Bauer

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