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The Typographer‘s Guide to the Galaxy von Oded Ezer, 2009, 192 Seiten, Hardcover, Euro 39,39, gestalten Verlag

Kalligrafie war immer eine Kunst, der etwas verstaubtes, konservatives anhaftete. Mit religiösen Inhalten assoziiert, wurden in den vergangenen Jahrzehnten im westlichen Kulturkreis christliche Gebete oder Urkunden „verziert“. Von trendorientierten Gestaltern wurde diese tradtionelle Kunst, die in Japan oder dem arabischen Raum nie ihre Qualität und Anerkennung verloren hatte, einfach ignoriert.
Das hat sich mit der Globalisierung geändert. Nicht nur Länder wie Indien sind uns näher und vertrauter geworden, auch die arabische Welt ist uns nähergerückt. Iranische Filmplakate, ägyptisches Grafikdesign oder Schriften aus den Emiraten sind zwar noch exotisch, aber keineswegs unbekannt. Stars wie der Teheraner Designer Reza Abbedini, der weltweit Vorträge hält, verankern ein lebendiges, experimentelles Bild der kalligrafischen Schriftgestaltung in unseren Köpfen. Anders als in der westlichen Welt, existieren in ihrer Kultur wesentlich weniger digitalisierte Schriften, viele Entwürfe werden noch handgezeichnet.
Der israelische Designer Oded Ezer schlägt mehrere Brücken. Zwischen geduldig ausgearbeiteten digitalen hebräischen Fonts und gestischen Schriftzügen, zwischen perfekt durchgearbeiteten Logos und organischen Buchstabenlebewesen und zwischen Typografie und Wissenschaft. In seiner Arbeit Typosperma verfolgt er ein fiktives Experiment geklonter Spermien in Buchstabenform, in deren DNA typografische Information implementiert ist. Als gekonnter Selbstdarsteller zeigt er sich in seinem Designbüro mit Labormantel und -utensilien, ganz wie ein Wissenschaftler. Oded lässt sich von wissenschaftlichen Prozessen inspirieren, er sucht das Experiment. Ob lebendige Buchstaben, dreidimensionale oder aus Papier ausgeschnittene Lettern, Spermientypo oder zerstückelte und notdürftig verbundene Fragmente, er haucht dem oft unsichtbaren Sprachtransportmittel Schrift Leben und vor allem Poesie ein. Schrift ist sein kulturell mächtiges Ausdrucksmittel, wie Musik, Malerei oder Architektur. Es ist kein Zufall, dass Oded den Konzeptkünstler Ed Ruscha als Maler von Wörtern als Vorbild nennt, ebenso wie Studio Dumbar, deren 3D-Experimente aus den 1980er Jahren Wegbereiter für seine Arbeit heute waren.
Heute, zwanzig Jahre später, entspricht diese expressive Arbeitsweise wieder dem Zeitgeist. Oded Ezer hat das unter neuen technologischen und stilistischen Vorzeichen erkannt und setzt es gekonnt um.


Erwin K. Bauer

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