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Adrian Frutiger – Schriften. Das Gesamtwerk. von Osterer, Heidrun; Stamm, Philipp (Hrsg.), 2009, 462 Seiten, 1050 Abbildungen, 24,5 x 31,0 cm, Euro 99,90

Zwei Phänomene sind bemerkenswert an diesem neuen Standardwerk. Erstens beeindruckt das unglaublich umfassende und vielseitige Werk und Wissen eines der grössten Schriftgestalter der Moderne. Und zweitens die Tatsache, dass heute Designbücher in wissenschaftlicher Gründlichkeit und inhaltlicher Tiefe wie dieses nachgefragt sind. Das Feld der Typografie ist dafür wie geschaffen. Schriftgestaltung ist unter Designern so populär wie noch nie. Hat man vor zwanzig Jahren noch aus einer überschaubaren Zahl aus Klassikern und Neuheiten ausgewählt, so kann heute jeder Gestalter einfach Schriften entwerfen und digitalisieren. Damit hat sich nicht nur die Anzahl neuer Schriften, sondern auch das Interesse an Schriftgeschichte, handwerklichen Techniken und aktuellen Diskursen explosionsartig gesteigert. Weblogs wie fontblog oder slanted belegen das mit ihren beeindruckenden Zugriffszahlen deutlich.
Das hier vorliegende Buch über Adrian Frutiger hat ein einfaches und perfekt funktionierendes redaktionelles Konzept: Chronologisch reihen sich Schriftporträts aneinander, dazwischen sind ab und zu Einschübe über die Satztechnologie und deren technische Veränderungen eingestreut. Seine Schriften von der Meridien, der Univers über das Alphabet für den Flughafen Orly und dem Nachfolger, der Frutiger bis zur südindischen Devanagari/Tamil oder der Avenir sind umfassend porträtiert. Frutiger erzählt im „Originalton“ über Idee und Entstehung, ein parallel laufender kleiner Marginaltext bringt sachliche Fakten. Originalskizzen und Entwurfsschritte bis zur Fotosatz- oder Digitalisierungsvorlage sind übersichtlich präsentiert. Alle Schriften werden systematisch mit ihren Wurzeln und ähnlichen Schriften aus ihrer Entstehungszeit verglichen – eine Recherchemethode, die Frutiger im Entwurfsprozess selbst angewendet hat. Diese Ebene des Buches macht es zu einem Standardwerk über Schriftgeschichte. Man erfährt Details über frühe pompeianische Schriften, staunt über die Entstehung der klassizistischen Antiqua Didot und Frutigers Tielmann-Überarbeitung für „Die Zeit“ oder technische Basics für maschinenlesbare Schriften wie die OCR B, die zum ISO-Standard wurde. Selbst für Frutiger-Kenner ist es überraschend zu sehen, wie vielseitig und kreativ er mit Typografie umging. Das Buch selbst ist ganz nach seinem Motto gestaltet: „Schrift ist wie ein Löffel, wenn ich mich am Abend an die Form des Löffels erinnere, mit dem ich am Mittag die Suppe gegessen habe, dann war es eine schlechte Löffelform.“ Der großformatige Band präsentiert sich in sauber gesetzten Frutiger-Schriften, aufgeräumt und unprätentiös.

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